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Die meisten strategischen Ziele scheitern, weil sie als starre Endpunkte statt als lebendige Transformationsprozesse verstanden werden. Dieser Artikel zeigt, wie Du strategische Ziele in drei Resonanzräumen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) verankerst und mit dem OKTR-Framework von der Planungsübung zum Akt der Selbstüberwindung kommst. Kern-Erkenntnis: Echte strategische Ziele stellen nicht nur die Frage "Was wollen wir erreichen?", sondern "Wer müssen wir werden?". Mit praktischen Reflexionsfragen und dem Resonanzraum-Workshop-Konzept bietet der Artikel einen philosophisch fundierten, aber pragmatischen Weg zur strategischen Transformation.
Audio-Summary des Beitrags
Der CEO starrt auf die PowerPoint-Folie. "Marktführerschaft bis 2027" steht dort in fetten Lettern. Darunter die üblichen Verdächtigen: Umsatzsteigerung, Prozessoptimierung, Digitalisierung. Er spürt die Leere hinter den Worten. Nicht, weil die Ziele falsch wären – sondern weil sie tot sind. Wie Schmetterlinge, aufgespießt in einem Glaskasten.
Hier ist die unbequeme Wahrheit: Die meisten strategischen Ziele sind keine Ziele. Sie sind Grabsteine für ambitionierte Ideen.
Der fundamentale Denkfehler bei strategischen Zielen
Du kennst das Ritual: Jährliche Strategieklausur, SWOT-Analyse, SMART-Ziele formulieren. Am Ende stehen Sätze wie "Wir wollen die Kundenzufriedenheit um 20% steigern". Aber mal ehrlich – wann hat Dich das letzte Mal ein Prozentziel morgens aus dem Bett getrieben?
Nietzsche hätte über unsere moderne Zielsetzung gelacht. Nicht, weil Ziele unwichtig wären – sondern weil wir vergessen haben, dass wahre Ziele nicht erreicht, sondern gelebt werden müssen. Sie sind keine Endpunkte, sondern Akte der permanenten Selbstüberwindung.
Stell Dir vor, Deine strategischen Ziele wären keine To-Do-Liste, sondern eine Einladung zur Transformation. Was würde sich ändern?
Die drei Resonanzräume strategischer Ziele
1. Vergangenheit: Das Echo des Gewesenen
Bevor Du neue Ziele setzt, frage Dich: Welche alten Ziele hallen noch in Deiner Organisation nach? Jedes gescheiterte Projekt, jede nicht umgesetzte Strategie hinterlässt Spuren. Diese Echos beeinflussen, wie Deine Mitarbeitenden neue Ziele wahrnehmen.
Reflexionsfrage: Welche strategischen Leichen liegen noch in Deinem Unternehmenskeller – und warum wagst Du nicht, sie zu beerdigen?
2. Gegenwart: Der Moment der Entscheidung
Hier wird's interessant. Die meisten Führungskräfte setzen Ziele für die Zukunft, während sie mental in der Vergangenheit leben. Sie optimieren, was war, statt zu erschaffen, was sein könnte.
Der abduktive Sprung: Echte strategische Ziele entstehen nicht aus linearer Planung. Sie entstehen aus dem mutigen Sprung ins Unbekannte – aus schwachen Signalen, die Du zu starken Visionen verdichtest.
3. Zukunft: Der Möglichkeitsraum
Die Zukunft ist kein fixer Punkt, den Du erreichen musst. Sie ist ein Resonanzraum, den Du durch Deine Ziele erst erschaffst. Jedes Ziel ist ein Echo, das Du in die Zukunft sendest – und das verändert, wie diese Zukunft aussehen wird.
Das OKTR-Framework: Wenn Methode auf Philosophie trifft
Vergiss für einen Moment alles, was Du über OKRs gelernt hast. Das OKTR-Framework (Objectives, Key Tactics, Results) fügt eine entscheidende Dimension hinzu: Taktik als kreativen Akt.
Objectives: Der apollinische Rahmen
Klare Ziele geben Struktur. Aber sie sollten Raum für Interpretation lassen. Statt "Umsatz steigern" formuliere: "Wir werden zur ersten Adresse für [Deine Kernkompetenz]". Das ist ein Ziel, das inspiriert.
Key Tactics: Der dionysische Sprung
Hier passiert die Magie. Tactics sind nicht nur Maßnahmen – sie sind kreative Experimente. Sie erlauben Dir, im Handeln zu lernen, zu scheitern, neu anzusetzen.
Beispiel: Statt "Kundenbefragung durchführen" → "Wir werden zu unseren 10 wichtigsten Kunden fahren und einen Tag in ihrem Alltag verbringen".
Results: Die Verdichtung
Ergebnisse sind wichtig. Aber sie sind nicht das Ende – sie sind der Anfang der nächsten Transformation. Jedes erreichte Ziel wirft neue Fragen auf.
Die Purple Organization: Wo Ziele zu lebendigen Systemen werden
In einer Purple Organization sind strategische Ziele keine starren Vorgaben. Sie sind lebendige Systeme, die sich mit der Organisation entwickeln. Wie?
- Rhythmische Transformation: Wechsel zwischen Phasen der Stabilität (apollinisch) und der Disruption (dionysisch)
- Resonanzfähigkeit: Ziele, die auf Veränderungen antworten, ohne ihre Essenz zu verlieren
- Kollektive Authorship: Jeder Mitarbeitende wird zum Mit-Autor der strategischen Geschichte
Die Frage ist nicht: "Haben wir unsere Ziele erreicht?" Die Frage ist: "Sind wir durch unsere Ziele gewachsen?"
Praktische Schritte zur strategischen Selbstüberwindung
1. Der Resonanzraum-Workshop
Versammle Dein Team nicht für eine Zielsetzungs-Session. Schaffe einen Resonanzraum – einen Dialog ohne Agenda, in dem die wahren Themen emergieren können.
Format: 6 Stunden reiner Dialog. Keine PowerPoints. Nur Menschen, die über das sprechen, was wirklich zählt.
2. Die Verdichtung zu strategischen Echos
Aus dem Rauschen des Dialogs kristallisieren sich Muster. Diese Muster sind Deine wahren strategischen Themen. Sie kommen nicht von oben – sie emergieren aus der kollektiven Intelligenz.
3. Der transformative Commitment
Strategische Ziele brauchen mehr als Buy-in. Sie brauchen existenziellen Commitment. Die Frage ist: Bist Du bereit, Dich selbst zu verändern, um diese Ziele zu leben?
Die häufigsten Fallen
Die Optimierungs-Falle
Problem: Du versuchst, besser zu werden in dem, was Du schon tust.Lösung: Frage Dich: Was müssten wir aufgeben, um wirklich neu zu werden?
Die Konsens-Falle
Problem: Ziele, die niemanden stören, inspirieren auch niemanden.Lösung: Suche den produktiven Konflikt. Echte Ziele polarisieren.
Die Kontroll-Falle
Problem: Du willst jeden Schritt planen und kontrollieren.Lösung: Plane die Richtung, nicht den Weg. Lass Raum für Emergenz.
Der transformative Moment
Hier ist, was ich in 15 Jahren Arbeit mit Führungskräften gelernt habe: Die besten strategischen Ziele sind die, die Dich selbst infrage stellen. Sie zwingen Dich, über Deine eigenen Grenzen hinauszuwachsen.
Seneca würde sagen: "Jeder Mensch ist sich selbst die größte Gefahr." Übertragen auf Organisationen: Deine größte strategische Herausforderung bist Du selbst – Deine Annahmen, Deine Komfortzone, Deine Angst vor echter Transformation.
Deine nächsten Schritte
- Stelle Dir die Killer-Frage: Welches Ziel würde ich setzen, wenn ich wüsste, dass Scheitern unmöglich ist – und welches, wenn ich wüsste, dass Scheitern unvermeidlich ist? Die Wahrheit liegt dazwischen.
- Experimentiere mit einem Ziel: Wähle EIN strategisches Ziel und behandle es einen Monat lang nicht als Endpunkt, sondern als tägliche Praxis. Was verändert sich?
- Schaffe Deinen eigenen Resonanzraum: Lade drei Menschen ein, mit denen Du noch nie über Strategie gesprochen hast. Höre zu. Die besten Einsichten kommen von unerwarteter Seite.
Das Echo, das bleibt
Strategische Ziele sind keine Mathematik. Sie sind Poesie in Aktion – der Versuch, eine noch nicht existierende Zukunft in Worte zu fassen und dann zu leben.
Die Frage ist nicht, ob Deine Ziele SMART sind. Die Frage ist: Sind sie lebendig genug, um Deine Organisation zu transformieren?
Wenn Du bereit bist, Deine strategische Zielsetzung von einer Planungsübung in einen Akt der Selbstüberwindung zu verwandeln, dann lass uns reden. Im Resonanzraum-Workshop erkunden wir gemeinsam, welche Zukunft bereits als Echo in Deiner Organisation schwingt.
Denn Strategie verändert die Welt nur, wenn sie uns zuerst verändert.
Häufig gestellte Fragen
Kaplan, R. S. und Norton, D. P. (2018): Der effektive Strategieprozess: Erfolgreich mit dem 6-Phasen-System. Campus Verlag, Frankfurt.
Hungenberg, H. (2021): Strategisches Management in Unternehmen: Ziele - Prozesse - Verfahren. 9. Auflage. Springer Gabler, Wiesbaden.
Müller-Stewens, G. und Lechner, C. (2021): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. 6. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart.
Johnson, G., Whittington, R. und Scholes, K. (2019): Strategisches Management - Eine Einführung: Analyse, Entscheidung und Umsetzung. 11. Auflage. Pearson, München.
Welge, M. K., Al-Laham, A. und Eulerich, M. (2023): Strategisches Management: Grundlagen - Prozess - Implementierung. 8. Auflage. Springer Gabler, Wiesbaden.